iSCSI für Desktoprechner? Einsatzziel verfehlt!

In der COM! Ausgabe 08/2012 fand sich ein breiter Artikel über iSCSI und dessen Vorteile. Eigentlich ein guter Artikel über eine interessante Technologie aber nachdem ich vor einigen Monaten Erfahrungen mit iSCSI durch ein kleines Projekt sammelte, empfinde ich den gezeichneten Einsatzbereich für Desktoprechner als nicht passend. Im Grunde ist die Rechnung ja einfach. Ich habe ein tolles NAS von Synology in meinem Netzwerk stehen und über eine Netzwerkfreigabe ermöglicht mir dieses mit ca. 30-45MB pro Sekunde darauf zu arbeiten. Nun bietet mein NAS aber auch die Möglichkeit an ein iSCSI LUN zu erstellen. Das ist ein reservierter Speicherbereich auf dem NAS, den ich mit einem halbwegs aktuellen Windows (iSCSI target) wie eine lokale Festplatte ansprechen oder sogar über das BIOS/UEFI einbinden und als Bootpartition nutzen kann. Das bietet viele Vorteile:

  • Der Datenzugriff erfolgt blockweise, wodurch die Übertragungsgeschwindigkeit sich gegenüber Samba (dateibasiert) erhöht.
  • Das Protokoll ist gegenüber Samba deutlich schlanker, da es z.B. keine Zugriffsrechte verwalten und kontrollieren muss.
  • Das iSCSI Target auf meinem Rechner (also der lokal eingebundene Speicherbereich) wird tatsächlich wie eine Festplatte behandelt, so dass man davon booten kann, Verschlüsselung unterstützt wird usw.
  • Die Größe des Speichers kann nachträglich angepasst werden.

Laut Messungen der COM! kann man so Geschwindigkeiten von ca. 100MB/s erreichen und liegt nur knapp unterhalb dessen, was Mainstream-Festplatten (nicht SSDs) heutzutage lokal in einem PC an Leistung erreichen.

Das klingt ja erstmal schön und gut aber nur weil etwas machbar ist, muss es für Desktoprechner noch lange keinen Sinn ergeben.

  • Wenn ich mehr Speicher in meinem PC brauche, kaufe ich mir kein NAS, sondern für einen Bruchteil des Geldes eine neue Festplatte, baue diese ein und genieße obendrein noch die erhöhte Geschwindigkeit gegenüber iSCSI
  • Auf iSCSI Container von handelsüblichen Consumer-NAS, kann nicht via FTP/Samba/NFS usw. zugegriffen werden. Folglich kann kann man auf die auf dem NAS gespeicherten Daten auch nur exklusiv über einen Rechner im Heimnetz via iSCSI zufgreifen. Mobilität oder Flexibilität gibt es nicht.

Meiner Meinung nach ist iSCSI nur für einen einzigen Anwendungsfall zu gebrauchen, nämlich um direkt von einem Netzwerkspeicher sein Betriebssystem zu booten, damit bspw. Clients stets einen kontrollierten Zustand besitzen, Vollbackups automatisch gefahren werden können, der Server bei vielen Clients Datendeduplizierung durchführen kann oder als Target ein billiger Thin-Client seine Daten erhält.

Wer übrigens kein Synology NAS hat und trotzdem mal mit iSCSI arbeiten möchte, der sollte mal Starwind Software ausprobieren. Die Software ist für den Privatgebrauch kostenlos und kann eigentlich alles was ein iSCSI Server so können muss.

Kolja Engelmann

Technikfan, Freizeitprogrammierer, selbsternannter Toolking und vermutlich größter Drachenfan Deutschlands blogged hier die Lösungen zu IT-Problemen die ihm über den Weg laufen, kleine Softwaretools, nostalgische Anfälle und missbraucht das Ganze gern auch mal als privates Tagebuch und Fotoalbum.

Eine Antwort

  1. Marco sagt:

    Hallo Kolja,

    ich hab genau diesen Artikel gebraucht… Danke hierfür.
    Ich habe gestern auf meinen NAS (Qnap TS-419) ein iSCSI LUN zu Testzwecken erstellt. Und habe diesen auf meinem Arbeitsrechner verbunden. Nach einigen Überlegungen habe ich festgestellt dass es nicht wirklich Sinn (für mich) macht. Da der Einsatzzweck absolut unsinnig ist. Was evtl. noch Sinn macht ist kurzfristig eine „weitere“ Festplatte ins Windows-System auf dem Client einzubinden. Allerdings brauch ich dies nicht in meinem Fall.

    Sinn mach im „Privaten Umfeld“ nur das Booten mit iSCSI – was aber meist auch nicht in Frage kommt – jeder der eine NAS besitzt hat ja vermutlich auch eine SSD.
    Wer seinen Gaming-, Web- oder sonstlichen Server backupen möchte kann dies perfekt über iSCSI lösen.

    Dein Artikel hat mich in meinen Vermutungen unterstrichen und dafür danke ich.

    Grüße,
    Marco

    Achja: netter Blog – werde ich mir merken 😉

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